Aus dem Ortsverein 2006

Mit rund 150 Mitgliedern und Gästen feierte der SPD-Ortsverein Tegernheim sein 60jähriges Bestehen. Neben zahlreichen Abordnungen örtlicher Vereine und den drei Tegernheimer Bürgermeistern sowie SPD-Ortsvereinen aus der Nachbarschaft konnte Vorsitzender Meinrad Hirschmann auch eine große Anzahl parteipolitischer Mandatsträger begrüßen. Neben dem Vorsitzenden der Bayern SPD MdB Ludwig Stiegler waren dies der Vorsitzende der Oberpfälzer SPD MdL Franz Schindler, die ehemalige Bundestagsabgeordnete Erika Simm, der Bezirkstagsvizepräsident Norbert Hartl, die stellvertretende Unterbezirksvorsitzende Margot Wild und zahlreiche Kreisratsmitglieder. In seiner Festrede verwies Ludwig Stiegler darauf, dass eine Demokratie davon lebe, "dass Menschen eine Leidenschaft für öffentliche Aufgaben haben".

Rückblick auf die 60jährige Ortsvereinsgeschichte

Unterstützt von einer Power-Point-Präsentation gab Vorsitzender Meinrad Hirschmann nach der Begrüßung einen kurzen Rückblick auf die wechselvolle Geschichte der Tegernheimer SPD. Hierbei erinnerte er anhand von Bildern eindrucksvoll an die schwierige Zeit der Gründung im Jahre 1946. Es sei schon erstaunlich gewesen, dass angesichts von Lebensmittelkarten, Care-Paketen, Wohnungsnot und anderen Schwierigkeiten, Menschen Politik machen wollten. Ein Grund meinte Hirschmann schmunzelnd könnte allerdings die erste Gemeindewahl in Tegernheim gewesen sein, bei der nur die CSE, die Vorläuferpartei der CSU antrat, und deshalb auch alle zehn Mandate und das Bürgermeisteramt errang. Hirschmann zeigte dann auf, dass von 1948 bis 1966 die SPD mit Michael Wimmer den ersten Bürgermeister stellte und auch im Gemeinderat eine Mehrheit der Sitze innehatte. Es waren also Sozialdemokraten, die nach dem Kriege Tegernheim maßgebend prägten, folgerte Hirschmann.

Auch nach dem Verlust der Mehrheit hätten sich der SPD-Ortsverein und seine Mandatsträger stets an der Lösung der in Tegernheimer anstehenden Probleme beteiligt. Als Beispiele nannte er die Verhinderung der Eingemeindung nach Regensburg, die Verbesserung des Grundwasserschutzes durch die Chemiefabrik, den Ausbau des Almer Weihers zu einem Naherholungsgebiet, die Einführung von Tempo-30 und zuletzt das Ökoticket. Mit Helmut Kindl, Herbert Wesselsky und nun Reinhard Peter habe die SPD auch über viele Jahre den zweiten bzw. dritten Bürgermeister gestellt. Der Ortsverein sei aber nicht nur politisch aktiv gewesen, sondern habe mit zahlreichen Aktionen wie der Errichtung des Kinderspielplatzes an der Jahnstraße oder des seit 1985 durchgeführten Kinderfestes in Tegernheim gewirkt. Seit mehr als 30 Jahren informiert der Ortsverein mit dem "Tegernheimer Echo" regelmäßig die Mitbürger über das politische Geschehen. Hirschmann dankte allen ehemaligen und aktiven Mitstreitern sehr herzlich und drückte die Hoffnung aus, dass sich wieder mehr Menschen der Politik zuwenden.

Grußworte

Nach einem Zwischenspiel der Blaskapelle Tegernheim, die die Feier musikalisch umrahmte, erinnerte der erste Bürgermeister Karl Hofer an die schwierigen Anfangsjahre nach dem Krieg. Auch in dieser Zeit seien von den politisch Verantwortlichen manch "unangenehme Entscheidung" zu tragen gewesen. Aufgrund ihrer Mehrheit hätten die SPD-Gemeindevertreter eine "große Mitwirkung am Aufbau von Tegernheim" gehabt. Er erinnere sich auch noch gut an den damaligen Bürgermeister Michael Wimmer. Hofer wünschte dem Ortsverein alles Gute und drückte gleichzeitig die Hoffnung aus, die SPD-Vertreter mögen auch in Zukunft an den politischen Entscheidungen mitwirken.

Im Anschluss an seine Rede bat er den Vorsitzenden der Bayern SPD und stellvertretenden Fraktionschef der SPD-Bundestagsfraktion um den Eintrag ins goldene Buch der Gemeinde. Dabei bat Hofer Ludwig Stiegler um Unterstützung beim Kampf um den Erhalt der Gewerbesteuer, was dieser später in seiner Rede auch versprach.

Dritter Bürgermeister Reinhard Peter zitierte in seinem Grußwort einen Satz von Willy Brandt, der über die politische Arbeit einmal gesagt hat, "nichts ist von selbst und nichts ist von Dauer". Die Gründungsmitglieder der Tegernheimer SPD hätten zwar die "Fundamente für eine bessere Zukunft gelegt", Politik sei aber eine Daueraufgabe. Leider würde die politische Arbeit oft von Kritik und Anfeindungen begleitet. Es sei daher wichtig, dass Solidarität innerhalb der SPD und mit anderen Vereinen und Organisationen im Ort praktiziert werde.

MdL Franz Schindler zollte in seinem Grußwort den Gründungsvätern großen Respekt. Gerade 1946 hätte es angesichts der großen Not viele Gründe gegeben, andere Arbeiten der Politik vorzuziehen. Die Tegernheimer SPD kenne er recht gut von vielen Aufenthalten und Tagungen im ehemaligen Minigolfhotel. Er lobte den Ortsverein für seine "große Beständigkeit in der politischen Arbeit". Als Mitgliederpartei sei es immer Aufgabe der SPD gewesen, die Wünsche der Bevölkerung aufzuspüren und gleichzeitig zur Willensbildung beizutragen.

Vor der Festrede von Ludwig Stiegler sangen die Gäste gemeinsam das Lied "Brüder zur Sonne zur Freiheit". Das Lied, eine alte russische Volksweise, wurde durch einen Kriegsgefangenen mit einem deutschen Text versehen und ist seit 1920 die "Hymne" der Sozialdemokraten.

Festrede von Ludwig Stiegler

Zu Beginn seiner Ausführungen gratulierte Stiegler dem Ortsverein und lobte die Menschen, die im "Steckrübenjahr 1946" den Mut zur Gründung eines SPD-Ortsvereins aufgebracht hätten. Dies sei im damaligen Bayern nicht selbstverständlich gewesen. Viele Sozialdemokraten seien im Krieg gefallen oder im KZ umgekommen und die Parteistruktur von den Nazis fast vollständig zerschlagen worden. Sozialdemokratisches Gedankengut sei vielfach erst durch die sudentendeutschen Flüchtlinge wieder stärker verbreitet worden. Sehr groß sei innerhalb der Sozialdemokratie auch die Enttäuschung gewesen, dass Deutschland ab 1949 wieder von einer konservativen Regierung regiert worden sei und sie selbst oft als "Kommunisten oder Verräter" abgestempelt wurden.

Obwohl die bayerische SPD mit Wilhelm Högner als Ministerpräsident und Waldemar von Knöringen zwei große Politikerpersönlichkeiten hatte, war es bis Anfang der 70-iger Jahre schwer, ein Sozialdemokrat zu sein. Erst mit der ersten Großen Koalition, die genauso wie heute keine "Liebensheirat, sondern eine Vernunftehe" war, und vor allem mit der Kanzlerschaft von Willy Brandt bekam die SPD auch in Bayern Aufwind.

Umso bemerkenswerter sei es rückblickend, dass Tegernheim bis Mitte der 60-iger Jahre einen sozialdemokratischen Bürgermeister und eine Mehrheit der Gemeindevertreter stellte. Vom großen solidarischen Engagement dieser Menschen zeugt auch die in der Chronik beschriebene Anlage der sogenannten "Flüchtlingsgärten", die es vor allem den mittellosen Heimatvertriebenen in Tegernheim ermöglichte, eigenes Gemüse anzubauen. Angesichts der damaligen Probleme seien die heutigen oftmals recht klein, wenngleich die derzeitige Situation nicht einfach ist und die SPD unter anderem die Steuererhöhungen mittragen müsse, meinte Stiegler.

Politik, vor allem in der SPD, sei immer eine Art von "Abenteuerurlaub". Davon zeugen auch die vielen großen und kleinen programmatischen Diskussionen innerhalb der letzten Jahrzehnte. Eine solche Programmdiskussion werde die SPD angesichts der globalen Veränderungen auch innerhalb der nächsten Zeit erneut führen müssen.

Zum Abschluss seiner Rede dankte er allen Mitgliedern und besonders den Jubilaren für ihre langjährige Treue zur Partei und wünschte dem Ortsverein weitere 60 erfolgreiche Jahre. Den Bürgermeister forderte er augenzwinkernd auf, als Gastgeschenk sein Ausscheiden aus der Politik ins Auge zu fassen, damit Tegernheim wieder einen SPD-Bürgermeister erhalten kann.

Festrede von Ludwig Stiegler

Im Anschluss an die Rede von Ludwig Stiegler ehrte Meinrad Hirschmann eine Reihe von langjährigen Mitgliedern. Es waren dies: Elisabeth Göhring für 10 Jahre, Michael und Ute Bach sowie Josef Hofmann für 30 Jahre und Simon Bachfisch, Karl Cramer und August Breu für 40 Jahre Mitgliedschaft in der SPD. Er selbst und seine Frau Renate erhielten eine Urkunde für 20jährige Mitgliedschaft.

Im Zusammenhang mit dem 60jährigen Jubiläum war es dem Vorsitzenden gelungen, Dirk Holtermann als 50.Mitglied in den Ortsverein aufzunehmen. In einem feierlichen Akt wurde dem Neumitglied das Parteibuch von Ludwig Stiegler übergeben.

Nach dem Schlusswort des Vorsitzenden, in dem er allen Mitwirkenden an der gelungenen Feierstunde dankte, und dem Singen der Bayernhymne lud der Ortsverein alle Besucher zu einem bayerischen Buffet ein.

(Eigener Bericht)